Einsam in Berlin
Es wurde fast schon dunkel, als ich heute nachmittag im Schneegestöber nach Hause lief. Vor mir ging tief gebückt ein alter Mann den Bürgersteig entlang. Langsam und vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen, ängstlich darauf bedacht, nicht im Schneematsch auszurutschen. Mit der einen Hand zog er eine kleine Einkaufstasche auf Rädern hinter sich her, in der anderen Hand trug er eine schwere Plastiktüte aus dem nahe liegenden Supermarkt. Schwerfällig kämpfte er sich durch das immer dichter werdende Schneetreiben, während der Wind ihm die Schneeflocken ins Gesicht trieb. Sein schütteres graues Haar tanzte mit den Flocken um die Wette, und sein langer Wollmantel bauschte sich auf im Rhytmus der zunehmenden Windböen. Als er mehrmals ausrutschte und dabei fast zu Fall kam, hielt ich es nicht mehr aus. Um ihn einzuholen lief ich ein wenig schneller, bis ich auf gleicher Höhe mit ihm war. Sein Profil mit der kleinen, graden Nase und der goldenen, randlosen Brille ließ einen distinguierten Herrn erkennen, vermutlich ein Beamter im Ruhestand...einem sehr weit fortgeschrittenen Ruhestand allerdings.
"Darf ich ihnen beim Tragen helfen?" bot ich ihm höflich an.
"Das ist sehr freundlich von ihnen", antwortete er mir mit leiser, wohlmodelierten Stimme, während er seufzend seine Tüte auf den Gehweg stellte, "aber, meine Liebe, was würde mir noch bleiben, wenn ich es nicht mehr fertigbrächte, meinen täglichen Einkauf selbst nach Hause zu tragen. Das wäre sicherlich mein endgültiger Tod....! Trotzdem vielen Dank."
Mit einem scheuen Lächeln bückte er sich langsam, hob die Tüte wieder auf und setzte zögernd, und ein wenig unbeholfen, seinen Weg fort.
Mir zerriss es fast das Herz, als ich sah, wie er mit wankenden Schritten in den immer dichter werdenden Schneeflocken verschwand, und ich erwischte mich dabei, wie ich in einem fast kindlich inbrünstigen Gebet immer wieder die gleichen Worte murmelte:
"Lieber Gott, bitte laß mich nicht so allein sein, wenn ich alt bin...lieber Gott, bitte laß mich nicht so allein sein, wenn ich alt bin...!
"Darf ich ihnen beim Tragen helfen?" bot ich ihm höflich an.
"Das ist sehr freundlich von ihnen", antwortete er mir mit leiser, wohlmodelierten Stimme, während er seufzend seine Tüte auf den Gehweg stellte, "aber, meine Liebe, was würde mir noch bleiben, wenn ich es nicht mehr fertigbrächte, meinen täglichen Einkauf selbst nach Hause zu tragen. Das wäre sicherlich mein endgültiger Tod....! Trotzdem vielen Dank."
Mit einem scheuen Lächeln bückte er sich langsam, hob die Tüte wieder auf und setzte zögernd, und ein wenig unbeholfen, seinen Weg fort.
Mir zerriss es fast das Herz, als ich sah, wie er mit wankenden Schritten in den immer dichter werdenden Schneeflocken verschwand, und ich erwischte mich dabei, wie ich in einem fast kindlich inbrünstigen Gebet immer wieder die gleichen Worte murmelte:
"Lieber Gott, bitte laß mich nicht so allein sein, wenn ich alt bin...lieber Gott, bitte laß mich nicht so allein sein, wenn ich alt bin...!
synonyme - 1. Mär, 21:09
C. Araxe - 2. Mär, 19:40
Einsam sind wir alle. Nicht erst im Alter. Das einzugestehen fällt nicht leicht und man hat ja auch gerade in jungen Jahren Tausenderlei Ablenkungsmöglichkeiten, um sich dies nicht einzugestehen. Erst wenn man wirklich auf die Hilfe anderer angewiesen ist, tritt es erst ins Bewusstsein. Dabei war es schon immer so. Es gibt Freunde, Eltern etc., die einen unterstützen (wenn überhaupt), aber es trifft doch eher selten zu, dass da wirkliches Verstehen hinter steht, auch wenn eine Annäherung sehr hilfreich sein kann. Das, was einem bleibt, ist nur man selbst. Das mag bitter klingen, birgt aber einen Schatz, ein unendliches Universum, dass man zu schätzen wissen sollte. Man hat nur sich selbst. Und das kann verdammt viel sein. Es ist kein Grund zum Verzweifeln, wenn da niemand ist. Und immer wieder taucht da doch jemand auf, der dennoch dazu bereit ist, etwas von der Last, die man mit sich herumschleppt (nicht nur im physischen Sinne) mitzutragen. Verlassen kann man sich darauf nicht und ja, es ist von Vorteil sich beizeiten ein breiteres Kreuz zuzulegen, aber doch irgendwo ist das Gefühl zu bewahren, dass das Gute in jedem Menschen vorhanden ist.
synonyme - 3. Mär, 20:30
ich denke,
zwischen "einsam sein" und "allein sein" liegen welten...ich kann sehr gut allein sein, ich bin ein einzelgänger und komme gut mit mir selbst klar...aber es gibt momente, da fühle ich mich einsam (ob ich dabei in gesellschaft bin oder nicht), und dieses gefühl ist es, das jedem von uns angst macht, auch wenn wir uns noch so gut auf die einsamkeit vorbereitet zu haben glauben...
saintphalle - 16. Mär, 15:37
Wir gehören einer Generation beziehungsloser (Großstadt-)Menschen an. Viele von uns werden im Alter ähnlich leben wie jetzt und weder einen Partner noch Kinder an ihrer Seite haben. Das Bild der einsamen Alten, die mühsam ihre Einkäufe nach Hause schleppen, wird sich also in den nächsten Jahrzehnten potenzieren. Viele werden dann immer noch so einsam sein wie mit 40. Und viele werden zwar alleine sein, sich dabei aber so wohl fühlen wie mit 40. Was erschwerend dazu kommt, sind körperliche Unzulänglichkeiten, die ein Alleineleben oft unmöglich machen.
Ich stelle mir immer vor, dass ich im Alter dahin zurück kehre, wo ich als junge Frau schon mal war und mir eine WG mit anderen alten Leuten suche. Das schützt mich vor der Einsamkeit nicht, wohl aber davor, meinen Alltag mühsamst alleine organisieren zu müssen. Aber wer weiß - vielleicht bin ich mit 80 so eigensinnig, dass ich diese Idee längst wieder vergessen habe...
Ich stelle mir immer vor, dass ich im Alter dahin zurück kehre, wo ich als junge Frau schon mal war und mir eine WG mit anderen alten Leuten suche. Das schützt mich vor der Einsamkeit nicht, wohl aber davor, meinen Alltag mühsamst alleine organisieren zu müssen. Aber wer weiß - vielleicht bin ich mit 80 so eigensinnig, dass ich diese Idee längst wieder vergessen habe...
synonyme - 17. Mär, 00:17
ich habe
immer einen traum: ich würde gerne in einem dorf wohnen, in dem nur menschen wohnen, die sich untereinander kennen und mögen...man hat sein eigenes haus, in dem man unabhängig ist, kann aber jederzeit die gesellschaft der anderen in anspruch nehmen, wenn einem danach ist...es bleibt leider ein traum, da wir menschen es ja nicht einmal schaffen, uns ein ganzes leben lang nur mit einer person zu verstehen, geschweige denn mit einem ganzen dorf...die sehnsucht nach geborgenheit und die angst vor einsamkeit ist eben sehr stark in uns verankert...
es ist leider wahr, dass wir immer mehr zu unfreiwilligen einzelgängern "degradieren"...seltsamerweise sind es die menschen, denen wir in unserer kindheit und jugendzeit nahe standen, mit denen wir uns auch heute noch besonders verbunden fühlen...all meine freundinnen stammen aus dieser zeit, die menschen, die ich jetzt kennenlerne, sind immer "nur" bekanntschaften, obwohl dies oft nicht einmal von mir so gewollt ist...irgendwie haben die menschen keine zeit mehr, ein bißchen länger als für ein kurzes "hallo" bei den anderen zu verweilen...
es ist leider wahr, dass wir immer mehr zu unfreiwilligen einzelgängern "degradieren"...seltsamerweise sind es die menschen, denen wir in unserer kindheit und jugendzeit nahe standen, mit denen wir uns auch heute noch besonders verbunden fühlen...all meine freundinnen stammen aus dieser zeit, die menschen, die ich jetzt kennenlerne, sind immer "nur" bekanntschaften, obwohl dies oft nicht einmal von mir so gewollt ist...irgendwie haben die menschen keine zeit mehr, ein bißchen länger als für ein kurzes "hallo" bei den anderen zu verweilen...
saintphalle - 17. Mär, 09:11
Diese Erfahrung mache ich auch. Meine wirklich guten Freunde stammen aus der Schul- oder Studienzeit. Alle neuen Kontakte sind viel oberflächlicher und weniger verbindlich. Sämtliche Versuche z.B., näheren Kontakt zu meinen Nachbarn herzustellen, die zum Teil auch alleine leben, scheiterten. Mehr als gegenseitiges Blumengießen im Urlaub sprang dabei nicht raus. Woran das liegt, weiß ich ehrlich gesagt nicht.
synonyme - 17. Mär, 10:14
vielleicht
an dem misstrauen, dass uns immer mehr umgibt...die medien bringen nur noch horrormeldungen, alles wird schneller und rastloser, die politiker immer korrupter...da finden wir uns nicht mehr zurecht...menschliche werte wie freundschaft, treue, ehrlichkeit, loyalität etc, sind hoffnungslos veraltet, sprich: uncool...geiz ist geil!... und geil ist alles, was uns die werbung, und nicht unser herz, erzählt...
saintphalle - 17. Mär, 12:50
"Geiz ist geil" - Das ist überhaupt der widerlichste Spruch des Jahrzehnts. Und am widerlichsten ist, wie sehr wir ihn uns zu Herzen nehmen. Und mit was wir alles geizen: mit Liebe, mit Fürsorge, mit Aufmerksamkeit, Hilfsbereitschaft, Vertrauen, Rücksichtnahme, Ehrlichkeit, Anstand, Respekt, Freundschaft...
Ja, vielleicht ist das der Grund dafür, dass kaum noch Freundschaften entstehen.
Ja, vielleicht ist das der Grund dafür, dass kaum noch Freundschaften entstehen.
synonyme - 17. Mär, 19:10
"freundschaft"
müßte man unserer tage sowieso neu definieren...heutzutage zieht man leichter und schneller in eine andere stadt...man lernt leichter menschen in anderen gegenden und ländern kennen...man sitzt vor einem pc und unterhält sich mit fremden, denen man sofort sein herz ausschüttet...ab wann kann man einen menschen seinen freund nennen?...
Andererseits kann ich ihn auch verstehen, ein gewisser Stolz an den man sich anklammert, oder einfach das Gefühl, von Niemandem abhängig sein zu wollen oder gar zu müssen.
Ergänzend aber stellt sich die Frage, ob Alter automatisch Einsamkeit bedeutet, oder ob manche Leute aus welchen Gründen im Alter auch immer die Einsamkeit suchen.
Denn wenn ihn die Einsamkeit so quälen würde, hätte er seinen "Stolz" oder was auch immer zugunsten der Gelegenheit, jemanden unverhofft kennenlernen zu dürfen, wohl zurückgestellt, oder?
LG. e-m
vielleicht